Moritz Krämer - Wir können nix dafür
 
Moritz Krämer ist eine der Entdeckungen des Frühjahrs. Der knapp 30 jährige hat das seltene Kunstwerk geschaffen, eine sowohl anspruchsvolle als auch eingängige Platte zu machen. „Wir können nix dafür“ ist wie ein Theaterstück ohne Theatermusik. Mit Geschichten über Menschen und ihr Verhalten gegenüber anderen Menschen. Wie kompliziert, skurril, traurig und komisch das sein kann, beweisen diese 12 Songs. Moritz Krämer singt von seiner eigenen Beerdigung, vom letzten schwangeren Thunfisch oder in einem rührseligen Stück über einen kleinen Spatz, der gegen Ende des Albums zu einem Sinnbild von allem wird, über das Moritz Krämer in den vergangenen Liedern gesungen hat. Am Ende bricht der Spatz sich beim Sprung aus dem Fenster nur ein Rippchen, obwohl er dem Tod schon in die Augen gesehen hat. Das interessante an der ausgeklügelten Lyrik des Moritz Krämer ist die Kunst sich ständig in andere Menschen und Personen zu versetzen. Schnell bemerkt man, dass seine Stücke, und sind sie noch so sehr in der Ich-Form erzählt immer aus verschiedenen Blickwinkeln berichten. Moritz Krämer ist durch und durch ein Mann des Theaters. Er hat an verschiedenen Bühnen als Komponist, Liedtexter und musikalischer Leiter gearbeitet (u.a. Berliner Volksbühne, Hebbel am Ufer Berlin, Maxim Gorki Theater, Thalia Theater Halle, Stadttheater Heidelberg). 2009 machte man ihn mit „Night of the Nerds“ an der Leipziger Skala des Centraltheaters schließlich zum Titelhelden eines szenischen Liederabends. Wenn also Moritz Krämer von einem Typen singt, der sich hinter den Gitterstäben seines Balkons beim Beobachten der Nachbarn plötzlich wieder in seinem Kinderbettchen wähnt, dann erscheint vor dem Auge eine karge, nur mit einem Spot ausgeleuchtete Bühne. Unmöglich wegzuschauen, unmöglich die Konzentration auf andere Dinge zu legen und unmöglich diese Songs ungerührt hinzunehmen. Dass diese Lieder am Ende nichts anderes als federleichter Pop sind, dass diese Melodien im Kopf bleiben und dass nur einige wenige Zitate ausreichen, um ganzen Gefühlswelten Platz zu machen, macht dieses Debütalbum nur umso wertvoller. Auf die eine oder andere Zeile wird Philipp Poisel zu recht neidisch sein. Moritz Krämer wirkt mit seiner melancholischen, leicht brüchigen Stimme, direkt und unmittelbar. Mal jazzend, mal poppig, mal fast röhrend und manchmal mit einer Prise Country. Möglich, dass Moritz Krämer sich irgendwann einmal für die Kleinkunst entschieden hat, für die nicht subventionierten kleinen Bühnen, doch am Ende dürfte das gründlich schief gehen, ganz einfach weil wir Künstler wie ihn brauchen, wenn wir uns dem Leben stellen.


Als CD, und als Download erhältlich
Moritz Krämer
Samstag, 12. März 2011