Sophie Hunger - 1983
 
Sophie Hunger
1983
Two Gentlemen

Man möchte Menschen wie Sophie Hunger am liebsten vor der Welt abschirmen und sie hegen und pflegen. Zu viele Einflüsse wären nicht gut, ihre künstlerische Kraft möchte man pur erleben. Die Schweizer machten sich schon Sorgen um ihre Ausnahmeerscheinung, als die französische Tageszeitung Libération bemerkte, dass diese Frau nicht mehr lange das bestgehütete Geheimnis der Schweiz ist. Das ist sie auch längst nicht mehr. 3 Sat, Arte und wie all die Qualitätssender heißen, reißen sich spätestens seit ihrem umwerfenden Album „Monday’s Ghost“ um sie. Viele Stücke kamen einer musikalischen Offenbahrung gleich, die nicht wiederholbar schienen. Doch auch diesmal, auf ihrem Album „1983,“ ihrem Geburtsjahr hat sie wieder einige dieser Wunderwerke geschaffen. Sie singt wieder auf deutsch, auf schwizerdütsch, englisch und französisch. „Le vent nous portera“ klingt wie ein Chanson aus einer vergangenen Zeit, den Aznavour oder Gainsbourg im Leben nicht besser hinbekommen hätten. Und doch ist „1983“ in seiner Gesamtheit eine Spur versöhnlicher, ohne dem Mainstream zu erliegen. Genau dafür muss man sie lieben. Sie geht den kompromisslosen Weg einer Künstlerin und an dieser Stelle könnte man lange über das Cover fachsimpeln, auf dem sie uns mit dem Finger genauso bedroht wie sich selbst. „1983“ klingt bei allem was wir im letzten Jahr schon an ihr geliebt haben trotzdem ein bisschen nach Neuerfindung, nach neuen Ufern, nach künstlerischer Weiterentwicklung und nach viel Spaß am Instrument. Diesmal peppt sie ihre Musik mit elektrischen Sounds, Drumcomputern und allerlei Effekten auf. Eine spröde Mundharmonika wie bei „Broken english“ trifft auf sprengende Beats und ungewöhnliche Chöre. All die Mystik der letzten Platte weicht diesmal einer Direktheit, die trotzdem nie durchgehend begreifbar ist. Das Titelstück „1983“ arbeitet im Wesentlichen mit Bildern und Fragmenten, die unendlich zu interpretieren sind. Natürlich springen einem gerade die deutschen Texte direkter an und doch ahnt man, die poetische Tiefe ihrer Singens, deren Sprache man im allgemeinen nicht mächtig ist. Man kann nur erahnen, welch wundersame Gedankenwelt all dem Zugrunde liegen. In ihrer anarchischen Kolumne in der Zeit erzählte sie aus der Sicht eines jungen Mannes, der physisch in der Zeitung liegt und aus dieser Perspektive beschreibt, was er wahrzunehmen im Stande ist. So lag sie bereits im Schosse ihrer Justizministerin im Warteraum zu Brüssel oder begleitete auf einer Parkbank einen Aussteiger-Zugvogel im Gespräch über die Demokratie in den Tod. Was das mit der Musik zu tun hat werden Sie sich fragen? Alles, lautet die Antwort. Einfach alles! 

Als CD, Vinylplatte und als Download erhältlich
Sophie Hunger
Sonntag, 11. April 2010