Morrissey - Your arsenal- definitive Master
 
Es ist kaum zu glauben, es ist über 20 Jahre her, als dieses dritte Album von Morrissey erschien. Damals, als The Smiths schon längst Geschichte waren, als ein Heiligtum meiner Jugend sich einfach in Luft auflöste. Es war vielleicht die beste Band aller Zeiten und Morrissey unser Sprachrohr. Das Wir – klar ich und meine intellektuellen Indie-Freunde, diese Gemeinschaft von Vegetariern und Nein-Sagern, die am Ende auch einer Massenbewegung angehörten.
Dass wir nicht die einzigen waren, ist der DVD von einem Konzert von 1991 zu entnehmen, die diesem Album beigelegt wurde. In unregelmäßigen Abständen kommen Menschen auf die Bühne um ihren Helden zu ehren, ihn in den Arm zu nehmen. Arrogant und nebenbei erteilt er ihnen seinen Segen, ohne mit dem Singen aufzuhören.
Beim Durchhören nach all den Jahren muss ich sofort an eine Geschichte denken, die ich damals in der wöchentlichen Bibel, dem Melody Maker gelesen habe. Immer wenn Morrissey vor einem Konzert in der Garderobe eintraf und auf Johnny Marr traf, nahm er die elektrische Gitarre und spielte Rolling Stones – Rock Riffs. Morrissey trieb das in den Wahnsinn.
Wenn man dann wenige Jahre später diese Platte gehört hat, empfinde ich das wie eine Rache. Morrissey rockte nämlich, manchmal an der Grenze des erträglichen – für uns Smiths Fans.
Kein Wunder, dass Morrissesy mit diesem Album auch den Durchbruch in den USA schaffte. Dort nämlich sorgte das Album für Rekordverkäufe der Tickets in der Hollywood Bowl und für eine Nominierung für den Grammy. 
Seinerzeit im klassischen Vinyl-Format erschienen, ist "Your Arsenal" in zwei Hälften mit je fünf Songs aufgeteilt. MORRISSEY nahm das Album nach einer sechsmonatigen Tournee mit seiner eigens für die Tour zusammengestellten Band auf. Als Producer fungierte Mick Ronson, Ex-Gitarrist von David Bowies Spiders from Mars. Ronson, inzwischen Arrangeur und Produzent, verpasste dem Album einen Glam-rockigen Sound, der gleichzeitig rau und einfühlsam ist. 
Auf "Your Arsenal" rechnet MORRISSEY mit seiner Jugend in den siebziger Jahren ab, einem Zeitalter der Fußball-Hooligans, wie in "We’ll Let You Know" beschrieben, des Klebstoff-Schnüffelns ("Glamorous Glue") und der rechtsradikalen britischen Jugendbewegungen ("The National Front Disco"). "Your Arsenal" zeigt einen MORRISSEY in einer eigenartigen Zeit, auf der Suche nach seinem neuen Sound. 
Das Album verneigt sich nebenbei vor zwei musikalischen Ikonen der Glamrock-Ära, nämlich Marc Bolan (T.Rex) in "Certain People I Know" und David Bowie in "I Know It’s Gonna Happen Someday". Nicht gerade das, woraus der Smiths Sound gemacht war.
Im Kontrast zu den raueren Songs der ersten Seite präsentiert MORRISSEY auf der zweiten LP-Seite klassische und durchdachte Pop-Songs, etwa "We Hate It When Our Friends Become Successful" und "You’re The One For Me, Fatty". Auch sehr zarte und aufrichtig emotionale Songs bestimmen das Bild, zum Beispiel "Tomorrow" und "Seasick", "Yet Still Docked", auf dem der unverwechselbare Mick Ronson, der ein Jahr nach den Aufnahmen verstarb, an der Gitarre zu hören ist, sowie "I Know It’s Gonna Happen Someday", das Bowie kurze Zeit später auf seinem Album "Black Tie White Noise" (1993) coverte. Insgesamt ein Album, das auch nach 20 Jahren interessant ist, sicher eine Reise in die Vergangenheit, aber eine der besseren.
Morrissey
Freitag, 28. März 2014