Rebekka Bakken - Little drop of poison
 
Bei einer der unzähligen Eagles-Revival-Touren stand Don Henley auf der Bühne und erzählte, wie er damals in den 70er Jahre „Oil 55“ von Tom Waits coverte und es ihm dann vorspielte. Die Reaktion soll schlimm gewesen sein. Waits hatte die Version gehasst. Don Henley lachte, als er den Satz „Then he got the check, and then he likes it“ hinzufügte. Es ist eben längst kein Geheimnis, dass die Tom Waits Lieder in Wahrheit zu den eingängigsten und schönsten Stücken aller Zeiten gehören. Die Liste der Tom Waits Coveralben ist unendlich. Mit Grauen erinnern wir uns an Rod Stewards „Downtown train“ und von den Cowboy Junkies gibt es die eine oder andere richtig tolle Version. Auch Tori Amos oder Lloyd Cole brauchen sich nicht zu verstecken.
Jetzt also wieder eine Tom Waits Cover-CD. Doch es geht nicht darum die fantastischen wunderbar knarzig aufgenommenen Songs glatt gebügelt in die Charts zu bekommen, sondern es geht tatsächlich darum die Grenze zwischen den bluesigen Tom Waits Stücken jazzig und mit neuen Facetten zu präsentieren. Der Norwegerin Rebekka Bakken gelingt das sogar – ab und zu. Die Poesie der Straße, die verruchten Personen, die gebrochenen und gestrandeten, die Prostituierten und die Verrückten. Um diese Geschichten zu erzählen bedarf es Lebenserfahrung und Lebensstil. Aber auch Mut. Rebekka Bakken soll überrascht gewesen sein, als man sie fragte, ob sie an einem Tom-Waits-Projekt teilhaben wolle. Der Anstoß kam von der hr-Bigband, seit Jahren eine der feinsten Adressen für orchestralen Jazz in Deutschland und Initiator ausgefallener Programmideen. Für Rebekka Bakken war das ein Impuls zur rechten Zeit: "Mein erster Gedanke war“, erinnert sie sich heute, "was kann ich dazu beisteuern?" Aber dann öffneten sich Räume. "Als Musikerin brauche ich Impulse, die mich dazu bringen, neue Räume in meinem musikalischen Körper zu öffnen. Es geht darum, etwas zuzulassen und für einen Moment die Kontrolle aufzugeben. Das Ergebnis ist eine enorme Freiheit und das Gefühl, mich weiter als Mensch und Musikerin zu entwickeln." Zunächst stellten Bakken und Arrangeur Jörg Achim Keller das Programm zusammen, dann schrieb Keller die orchestralen Arrangements zu den Waits-Songs. Bei "Please Call Me Baby" und "San Diego Serenade" übertrug er Bob Alcivars originale Streicher-Arrangements in die hornerlastige Sprache einer Bigband, bei "What’s He Building" vergrößerte er die damalige Bandversion ins Breitwandformat. Die komische Geschichte von dem Nachbar, der einen Beraterjob in Indonesien hat und immer diese Pakete bekommt gehört zu den Highlights des Oeuvres.
Die Arrangements sind so brillant und authentisch geschrieben, dass man das Gefühl hat, diese Songs sind für Bigband geschrieben. Und darin besteht dann auch der Charme der Platte. Keine Coverversionen ohne sich die Freiheit zu nehmen, die es im Jazz braucht.
Während die Band diszipliniert die Konturen der Songs ausspielt, schlüpft Rebekka Bakken in die Rolle der glamourösen Sängerin und beansprucht das Zentrum der Bühne – eine entfernte Verwandte von Sängerinnen wie Ma Rainey oder Bessie Smith, die in der Blütezeit des City-Blues die Bühnen verzauberten. Ganz offenkundig fühlt sich Rebekka Bakken wohl in diesem ungewohnten Zusammenhang. "Ich war völlig frei, auf die Musik und meine eigenen Assoziationen und Gefühle zu reagieren", erklärt sie. "Es ist so weit entfernt von dem, was ich sonst mache und fühlte sich gleichzeitig so nah an, als wären es meine eigenen Songs." Und sehr zu ihrem eigenen Erstaunen waren es eher die Songs, die ihr bisher fremd gewesen waren, die ihr nun am meisten ans Herz gewachsen sind. "Ich konnte mich viel besser in diese harten Songs wie 'Just The Right Bullets' oder 'Bad As Me' einfühlen als in die schönen Songs und die Balladen. Aber die schönen Stücke, die brauchen diesen Little Drop of Poison“, erklärt sie mit Bezug auf den Songtitel, der dem ganzen Album den Namen gibt und die Richtung weist, "sonst werden sie flach und fade." Da muss sie sich keine Sorgen machen, dass ein kleiner Tropfen Gift im Spiel bleibt, dafür sorgt neben den Kompositionen von Tom Waits und den Arrangements von Jörg Achim Keller schon sie selbst mit ihrem Gesang, der in dieser Produktion keinen Zweifel lässt, dass Rebekka Bakken eine Sängerin ist, deren Gesang weit über den Horizont ihrer persönlichen Erfahrungen hinaus strahlt.
Ein Album mit mehr Licht als Schatten, auf dem es tatsächlich etwas zu entdecken gibt. Neu ist das alles nicht, aber schön!
 
Auf Vinyl, als CD und als Download erhältlich
Rebekka Bakken
Mittwoch, 11. Juni 2014