Niels Frevert - Zettel auf dem Boden
 
Überall Postit Zettel. Liebesbotschaften auf dem Badezimmerspiegel nach einer kurzen Nacht. Einkaufszettel, zugesteckte Liebesbriefe, achtlos verloren und jetzt auf dem Boden liegend. Und die dramatischen Briefe. Das Ende: „Ich kann nicht mehr, will nicht mehr. Ich liebe Dich nicht mehr“ oder „Ich liebe Dich jetzt wieder.“ Treueschwüre und Versprechen: „Ich würde dir helfen eine Leiche zu vergraben, wenn’s nicht meine ist.“ Die Zettel auf dem Boden erzählen sie, die Geschichten, die im Leben bleiben. Niels Frevert hat sie gesammelt und erzählt sie ruhig und gelassen, wie einer, der sie alle schon gelesen und geschrieben hat. In Nahaufnahme, mit einfachen Worten, wie die Geschichte auf seinem letzten Album vor drei Jahren, auf dem es diese anrührende Geschichte gibt, in dem Niels Frevert einen alten Freund im Niendorfer Gehege wiedertrifft und sich erinnert. „Zettel auf dem Boden“ knüpft ganz nahtlos an seine bisher beste Platte „Du kannst mich an der Ecke rauslassen“ an. „Überraschung, ich war gerade in der Gegend, ich hoffe ich komme nicht ungelegen,“ singt er und es braucht nicht lange, bis sich wieder dieses Gefühl der Vertrautheit einschleicht. Die melancholische Stimmung wie die Zeit vergeht, wie man sich an die guten und nachdenklichen Zeiten erinnert. So klug ist die Wortwahl, so weise gesetzt und so wohl temperiert. Niels Frevert wird mit jedem  Album noch ein wenig akustischer. Klavier, Bass und Schlagzeug, fast klassisch, bis diese Streicher, das Vibraphon, die sparsam eingesetzten Bläser, Akkordeon und Chöre einem den Rest geben. Was Niels Frevert hier singt, spielt und sagt, ist so großartig wie wahrhaftig. Er fährt im ersten Song, (fast einer Suite) mit uns Schlangenlinien, singt von Fledermäusen und einem Freund, von dem er sich eine Postkarte aus dem Jenseits wünscht. Wie gut sie doch dazu passen, die Freunde und Gäste, die ganz unspektakulär in die Musik eingebunden werden. Martin Wenk von Calexico (Flügelhorn), Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch (Chor), oder der Selig Gitarrist Christian Neander. Die Songs sind fast alle selbst geschrieben, bis auf eine originelle Coverversion von Herman van Veens „Bis jemand mich hört.“ 
Die Covergestaltung mit den laufenden Pferden ist übrigens geradezu identisch mit dem Cover des letzten Bill Callahan Albums. Was sie verbindet, ist künstlerisch brillante Liederschreiberkunst und was sie leider auch verbindet, ist die viel zu geringe Beachtung in der Öffentlichkeit. Dieses Album ist eine Umarmung, ein Wegbegleiter, der eigentlich schon immer da war, von dem wir aber zu lange nichts gehört haben. Ein Freund, der einen versteht, einfach, weil man schon so viel zusammen durchgemacht hat.


Als CD, als Download und erstmalig auch auf Vinyl erhältlich. (Auch die älteren Niels Frevert Platten sind passend zu der Veröffentlichung auf Vinyl erschienen.
Niels Frevert
Sonntag, 6. November 2011