Neil Young - Le Noise
 
Neil Young
Le Noise
Reprise

Wenn man die Anlage voll aufreisst und sich in gebührendem Abstand zwischen die großen Standboxen setzt, dann peitscht Neil Youngs Hohlkörper-Gretsch auch den letzten aus dem Ohrensessel. „Le Noise“ ist ein Experiment aus einer metaphorischen Geräuschkulisse. Neil Youngs Stimme kämpft mit dem Hall, gurrt sich durch die Verzerrergewalt, während die elektronischen Spielereien der Platte fast das Leben kosten. Die erste Pause gibt es bei dem Peacesong „Love and war,“ der zumindest beim ersten Mal mit seinen Plattitüden vollkommen aus dem Rahmen fällt,  dessen eigentliches Herz aber ein Gitarrensound ist, der extra für diese Platte von Daniel Lanois kreiert wurde. Als Neil Young eines Morgens in Studio kam, drückte Daniel Lanois dem Kanadier seine neuste Gitarre in die Hand. Jahre soll der introvertierte Lanois damit verbracht haben aus der Gitarre jenen Klang zwischen Akustik-Sound, Electronica und Bass-Sound heraus zu holen. Stolz verkündet das Gespann Lanois/Young, nach ihrer ersten gemeinsamen Arbeit, dass mit diesem Selbstbau die Akustik-Gitarre eine neue Ebene erreicht wurde. Ein ziemlich esoterischer Typ ist der Monsieur Lanois, aber Neil Young suchte offensichtlich diese neue Herausforderung. Sich zu wundern, dass „La Noise“ (man beachte den Wortwitz „Le Nois / Lanois“) eine Gitarrenplatte geworden ist, halte ich für unangebracht, denn was will der Mann denn sonst machen? Doch es ist eine Gitarrenplatte geworden, die selbst den weiten Rahmen seiner unglaublich lange anhaltenden Karriere sprengt. Außer seiner Gitarre und seiner Stimme irgendwo von ganz weit hinten, ist nichts zu hören. Ein donnernder Akkord walzt das Echo in den Abgrund und schafft irgendwann eine gewaltig aufgepeitschte Atmosphäre. Solche Platten hat es natürlich schon gegeben, nur sind diese meistens komplett ohne Songs ausgekommen. Diese tut das nicht. Auch wenn Neil Young sein geniales Songwriting in den Dienst der Soundcollagen gestellt hat, sind sie da, die Melodien und anders instrumentiert, wären sie Neil Young Hits, die man mitsingen könnte. Müßig zu sagen, dass man dieses Album zusammengeschrumpft in ein MP3 Format vergessen kann, es über eine HiFi Anlage der guten alte Schule aber eine enorme Gewalt entfacht. Nur keine Angst vor durchknallenden Boxen oder Verstärkern, manchmal macht eben nur laut und gefährlich Spaß.

 Als CD, als LP und als Download erhältlich
Neil Young
Sonntag, 10. Oktober 2010