Rufus Wainwright - All days are nights: Songs for Lulu
 
Bei der Uraufführung zu seiner ersten selbst komponierten Oper „Prima Donna“ erschien Rufus Wainwright in Giuseppe Verdis Kleidung, sein Berliner Freund sah aus wie Giacomo Puccini. Der Wahlberliner, der sich bei den letzten Konzerten in theatralischer Geste am Bühnenrand schminkte, in New York das gesamte legendäre Konzert von Judy Garland nachspielte, stolziert seit Jahren würdevoll durch die moderne Popkultur. Bei seinen anstehenden Konzerten wird er in einem Fünfmeter langen schwarzen Kleid mit Federn besetzt nur am Klavier sitzen, während im Hintergrund ein Film in Super Slow Motion im Lars von Trier Stil auf einer gigantischen Leinwand laufen wird. Das Auge von Rufus Wainwright, das auch das Cover schmückt, wird sich dabei über Minuten öffnen und schließen. Es wird still sein an diesem Abend, weil der extravagante Künstler um jene Stille zwischen den Stücken bitten wird. Es ist ein Liederzyklus, wie einst „die Winterreise“ oder Schuberts „Schöne Müllerin.“ Vorgetragen, genau wie auf dem neuen Album, nur am großen Steinway Flügel und in feierlich getragener Stimme.  „All days are nights: Songs for Lulu“ ist frei von Pomp, aber nicht von der Wainwrightschen Theatralik, die der außergewöhnlichen Person inne wohnt. In der Auswahl der Lieder befinden sich  drei Sonette von Shakespeare, ein Song aus seiner Oper „Prima Donna“ und verschiedene Lieder, die eigens für das aktuelle Projekt entstanden sind. Keine zufällige Auswahl, denn hinter der Story verbirgt sich eine noch tiefere Geschichte, bei der Lulu ins Spiel kommt. Der Name Lulu geht auf die gleichnamige Oper von Alban Berg nach einer Vorlage Frank Wedekinds zurück, die die Metamorphose einer von seltsamen Todesfällen umgebenen Frau beschreibt. Es ist auch eine Platte für seine am 18. Januar nach einer seltenen Krebserkrankung gestorbene Mutter Kate McGarrigles. Rufus Wainwright verlor mit ihr auch seine beste Freundin. Mit Besessenheit stellte er seine Oper fertig, nur damit sie sie noch sehen konnte. Er schaffte es und mit ebensolcher Besessenheit stürzte er sich in die Arbeit zu seiner wohl am schwersten zugänglichen neuen Platte. Es ist tatsächlich keine leichte Kost, kein Album, das sich aufdrängt, dafür aber finden wir hier Lieder, die die Zeit überdauern werden, wachsen werden, und in ihrer Schönheit immer verzaubern können, wie einer jener Liederzyklen des 19. Jahrhunderts. Die großen Themen der Menschheit sind eben unverändert. Wie sagte es Rufus Wainwright doch so passend in einem Interview? Während die breite Masse noch über Mozart nachdenkt, leben die Intellektuellen in dem Mahler Thomas Mann – Universum. „All days are nights: Songs for Lulu“ kann man nicht treffender beschreiben.

Als CD, Vinylplatte und als Download erhältlich
Rufus Wainwright
Sonntag, 16. Mai 2010