Rosanne Cash - The List
 
Rosanne Cash
The List
EMI

Die langen Tresen im Saloon, die Band mit dem Banjo auf der Bühne, die Jungs mit dem Whiskeyglas in der Hand, all das sind die Klischees, aus denen Countryträume bestehen. Aber da gib ist auch die andere Seite. Johnny Cash mit seinen Folsom Prison Auftritten, den unvergesslichen Songs, die heute längst ihren Platz im Great American Songbook gefunden haben. Die Überfigur Johnny Cash hat sich Zeit seines Lebens mit den Missständen und mit den Underdogs seines Landes beschäftigt. Aber auch mit der Faszination der geographischen Weite Amerikas. Mit den endlosen Straßen, den Highways, den Tankstellenbesitzern und mit den Greyhound Bussen, die das Land mit ihren Strecken wie ein Spinnennetz überziehen. Man kann sich den jungen Johnny Cash lebendig vorstellen, wie er da saß, die Gitarre über ihm im Gepäcknetz, den Kopf an die Scheibe gelehnt, einen Zettel und einen Stift auf den Knien. Es muss eine jener Fahrten gewesen sein, auf denen der “Man in Black“ sich mit seinem Vermächtnis beschäftigt haben muss. Seine älteste Tochter Rosanne Cash, damals 18 Jahre alt neben ihm auf dem Sitz, bekam einen Zettel zugesteckt, auf dem 100 Genreklassikern standen, mit denen sich seine Tochter irgendwann einmal beschäftigen sollte. Was für ein Geburtstagsgeschenk! Inzwischen ist das 35 Jahre her, genug Zeit also, sich durch den Kanon der Klassiker zu wühlen. Heute ist Rosanne Cash selbst eine gestandene Songwriterin, die ihr erstes Album bereits 1978 veröffentlichte, 1985 einen Grammy gewann und seitdem für etliche weitere nominiert wurde, zuletzt 2007 für ihr ein Jahr zuvor erschienenes Werk „Black Cadillac". Ein Album, auf dem sie sich vornehmlich mit ihrem verstorbenen Vater beschäftigte. Eine Art Requiem an den Übervater. Die Liste der Songs fiel ihr während ihrer letzten Tour in die Hände und sie erinnerte sich an die Hoffnung ihres Vaters, genau diese Songs würden sie irgendwann einmal in ihrem Leben zur Countrymusik bekehren. Ohne Frage ein weiter Weg für ein Mädchen, das damals noch für die Beatles schwärmte. Heute ist die Erstgeborene längst in der Countrymusik angekommen und bringt in diesen Tagen ihr erstes Album heraus, das ausschließlich aus Coverversionen besteht. Produziert hat das Album ihr langjähriger Ehemann und künstlerischer Kompagnon John Leventhal, der auch für einen Großteil der vorzüglichen Gitarrenarbeit verantwortlich ist. Rosanne Cash interpretiert auf „The List" Songs von der Carter Family („Bury Me Under The Weeping Willow"), Hank Williams („Take These Chains From My Heart"), Jimmie Rodgers („Miss The Mississippi And You"), Merle Haggard („Silver Wings") und Bob Dylan („Girl From North Country", von dem es eine berühmte Aufnahme von Dylan und Johnny Cash aus dem Jahr 1969 gibt). So hochkarätig wie die Originalautoren sind auch die vielen Gastmusiker auf dem Album, allesamt von Rosanne Cash hochgeschätzte Künstler: Bruce Springsteen singt bei „Sea Of Heartbreak" erst nur im Refrain und tritt gegen Ende sogar selbst an das Mikrophone. Sicherlich ist diese Version, die gelungenste, die ich persönlich jemals von diesem Klassiker gehört habe. Die Liste der Gäste lässt sich mit weiteren Namen fortführen. Elvis Costello hilft bei „Heartache By The Number" als Zweitstimme aus und der Wilco Frontmann Jeff Tweedy  bei „Long Black Veil," der allerdings schwer zu erkennen ist. Der Überraschendste Gast dürfte aber ohne Frage Rufus Wainwright sein. Bei „Silver Wings“ nähert er sich das wohl erste und letzte Mal dem Genre Country. Eine Countryplatte von Rufus Wainwright mag man sich beim besten Willen nicht vorstellen. „The List,“ ist eine tolle Reise durch Countryklassiker, die natürlich nicht von ihrer Innovation leben, dafür aber ein Gefühl der wohligen Wärme und mit vielen Erinnerungen aufsteigen lassen. 

Als CD, Download und als Vinlyplatte erhältlich.
Rosanne Cash
Samstag, 23. Januar 2010