“Workaholic” würde man neudeutsch jemanden nennen, der innerhalb eines Jahres drei Alben veröffentlicht. „Genial“ würde man jemanden nennen, der es schafft, dass keines dieser Alben misslungen ist. Ryan Adams gehört zu den meistbewunderten neuen Songschreibergenies des neuen Amerikas. Bei einer solchen Produktivität, könnte man glatt davon ausgehen, er würde seine Songs aus dem Ärmel schütteln. Danach klingt allerdings nicht ein einziger Song, der auf den letzten Platten veröffentlicht wurde. Ryan Adams leidet, fordert sich selbst heraus und präsentiert sich nie souverän, denn genau das ist er nicht. Er gehört einer Songschreiberriege an, die sich als Künstler verstehen und die nie etwas wiederholen, was sie schon einmal gemacht haben. Das konnten die auserwählten Fans nach seinem ersten Soloalbum nach dem Split seiner Band „Whiskeytown“ erleben, als er schon mit dem Cover zum Album „Gold“ aus dem Jahre 2001 die Musikwelt in Aufruhr brachte. Ein Cover das an Springsteens „Born in the USA“ erinnerte, nur vor der Flagge stand diesmal kein Held der Arbeiterklasse, sondern ein in sich zusammengesackter Künstler. Dieses Gefühl setzte sich auch auf seiner anschließenden Tournee durch, als er bei seinen Konzerten so gut wie keinen Song zuende spielte, sich in Spielereinen verlor und man Zeuge wurde, wie er auf der Bühne komponierte. Musikalisch war das nicht gerade die Erfüllung, doch passierte da etwas besonders und ungewöhnliches auf der Bühne, was außer ihm vielleicht nur Connor Oberst von Bright Eyes noch wilder auslebt. Natürlich bewegt sich Ryan Adams musikalisch in einem ganz anderen Kosmos. Wer die eher traditionell komponierte Musik nie so ganz zuordnen konnte, der sollte sich vielleicht die Platte aus dem November des letzten Jahres zulegen. Mit dem Album „Jacksonville“ hielt sich Ryan Adams nämlich streng an traditionelle Countrymusic, die er nur durch seinen Gesang und zusätzlichen Gästen wie Norah Jones, zu seiner eigenen Countrymusik machte. Für jemanden wie Ryan Adams musste das eine große disziplinarische Herausforderung sein, denn schließlich ist der strikte, nach traditionellen Vorgaben gespielte Musikstil nicht die Sache eines Ryan Adams. Dass dabei eine doch gelungene Countryplatte herauskam, beweist seine Vielfältigkeit. „29“ könnte fast eine Fortsetzung sein, doch diesmal erweiterte er sowohl stilistisch, als auch musikalisch seine Songs. „29“ ist vom ersten Song abgesehen, auf dem er sich in eine raue sehr erdige Art und Weise in rage singt, ein durchweg ruhiges, nur mit Streichern und fantastischen Klavierpassagen, sowie traditionellen Instrumenten erweitertes, akustisches Album geworden. Und dann sind da diese neun Songs, die für jeweils eines der letzten Jahre stehen sollen. Teilweise bewegen wir uns mit ihm in einer paranoiden Welt, doch meist herrscht eine traurige, aber sehr poetische Grundstimmung. Das erstaunliche aber ist die Tatsache, dass hier so derartig gute Melodien hinter der Oberfläche verborgen sind, dass man staunend vor seiner Anlage sitzt. „Blue sky Blues“ ist der Höhepunkt dieser und sicher auch der letzten drei Alben. Mit einem warmen Pianoklang, einer leisen, eindringlichen Stimme, erzählt Ryan Adams begleitet von Streichern, Oboe und immer wieder den Moll Akkorden des Klaviers, eine herzzerreißende Liebesgeschichte. Ryan Adams kämpft sich von den oberen Tönen, bis tief hinunter in die raue Ebene seiner Seele. Dieses Stück lohnt schon den Kauf dieser Platte. „29“ ist eine CD/LP die abgesehen vom nicht in die Stimmung passenden Titelsong eine Platte ohne Schwächen. Die düsteren Geschichten vom Außenseiterleben in Amerika, bleiben auch nach dem Hören lange im Kopf und die Bilder kehren immer wieder: Die Frau auf der Brücke in San Francisco, die nächtlichen Vögel, die in düsteren verlassenen Räumen und Häuser singen oder schlichtweg die Lebensgeschichte von Rose aus „Carolina Rain“. „29“ malt ein Bild eines Amerikas, von dem wir in den Medien wenig mitbekommen. Aus skizzenhaften Songs wird ein Universum geschaffen, das manchmal vielleicht ein bisschen Paranoid sein mag, das aber vielleicht dadurch auch so unendlich interessant ist.
Ryan Adams
29
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