In der langen, und alles andere als gerade verlaufenden Geschichte der Kinks, gab es Zeiten, in denen die Brüder Ray und Dave Davies kein Wort miteinander gesprochen haben. Selbst zu einer der unzähligen Comeback Alben, war es nicht möglich ein gemeinsames Interview zu bekommen, da sie sich nie zusammen in einem Raum aufgehalten haben. 1998 schien es ganz besonders schlimm um die Beziehung der beiden zu stehen, denn in dem Jahr veröffentlichte Ray Davies seine erste Soloplatte. Hatte man Ende der neunziger Jahre noch das Gefühl, er wäre ohne seinen Bruder nicht komplett, tritt Ray Davies mit seiner neuen Platte „Other People’s lives“ den Gegenbeweis an. Vielleicht liegt es daran, dass sein Bruder einen Schlaganfall erlitt und es in diesen Zeiten keinen Platz für Eitelkeiten und Streitereien gibt. 
Man lasse sich bei dem Berufszyniker und britischen Querkopf nur einmal den Titel seiner Platte durch den Kopf gehen und diesen mit den Texten vergleichen. „All she wrote“ handelt von einem Brief, den der Protagonist (und das müssen wir ja so sehen, denn schließlich schreibt er ja über das Leben anderer Menschen) den er Morgens auf dem Küchentisch findet. Sie hat einen anderen Mann in einer Disco kennen gelernt und der ist einfach perfekt. Und dann kommt der zynische Ray Davies hinterher mit seinem Satz, den er noch mal so in den Raum wirft. „Er erinnert mich an Dich“. Nur ein Ray Davies kann das so zynisch und glaubwürdig schreiben und wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, er spräche von sich selbst. Da hilft auch der Titel nichts. Auf der anderen Seite ist Ray Davies natürlich ein Geschichtenerzähler, der sich hinter seinen Geschichten versteckt um Botschaften an die Welt zu richten, die am Ende ein plötzlich unerwartetes Ende nehmen. Das war sogar bei den großen Kinks Hits so. Schließlich war es Lola, die sich als die sexbesessene Titelfigur für ihren Lover überraschenderweise als Mann entpuppte. Das sind die Geschichten, die Ray Davies bis heute nicht verlernt hat zu erzählen. Gerne gibt er auch Antworten auf Fragen mit seinen Songs, die uns sofort beschäftigen, wenn der Name Ray Davies fällt. Was ist aus den Kinks geworden? Gibt es sie noch? „Things are gonna change“ ist der erste Titel und der sollte eigentlich alles beantworten. Nach dem zweiten Song, gibt der inzwischen 62 jährige Ray Davies uns allerdings eine Neue, für ihn fast untypische Lebenseinstellung weiter. „After the fall is over, the sun will shine again“ heißt es da und der auch musikalische Hintergrund, vermittelt uns einen gut gelaunten Ray Davies. Vieles hat sich um den in die Jahre gekommenen Songschreiber geändert und damit auch die Sicht auf die Dinge, die ihn schon immer beschäftigten. Als Working Class Songschreiber war er für das Anprangern von Missständen in England genauso verantwortlich, wie für seine obskuren Liebeslieder, die nie ohne Zynismus auskamen. Die Kinks wurden immer zuerst genannt, wenn es um allumfassende Message ging. „Heute“, so sinniert er“ verbindet uns die Musik auf der ganzen Welt und wir kennen uns besser den je, wenn alle die gleichen Musik mit den gleichen Texten kennen.“ Ray Davies beschäftigt aber nicht nur das große Ganze, es geht auch um die Geschichten seines Nachbarn. In „Next door Neighbour“ fragt er sich wie es wohl dem Menschen geht, der ganz zufällig so dicht in sein Lebensumfeld geworfen wurde und der diese Affäre mit einer drallen Blondine hatte, die ihn schließlich zum Glauben brachte. Und so könnte man über jeden der Songs Gedanken und Geschichten schreiben. Aber was ist eigentlich mit der Musik? Nichts neues, das ist klar, dafür aber auch nicht veraltet. Das hier keine Innovationen zu erwarten waren, ist klar. Da knartscht eine Gitarre, im ersten Song ist eine tolle Melodie zu hören und immer wieder die typischen Kinks mäßigen Breaks, in denen Ray Davies seinen Gesang fast bis zum Gespräch herunterfährt. Das hat er vor allem in der Spätphase der Kinks gemacht und diesem Stil bleibt er auch heute treu. Für Kinks Fans ist diese Platte natürlich ein Muss und für alle anderen ist es ein Lehrstück eines reifen Musikers, der nicht umsonst als Urvater des Brit Pop gilt.
Ray Davies
„other people‘s lives“
Ray Davies
The Storyteller
Dave Davies
Rock Bottom
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