Psapp
The Only Thing I Ever Wanted
 
Psapp
The only thing I ever wanted
Domino Records

Die aufregendsten Platten sind doch die, bei denen sich der Popsong versteckt und nicht auf den ersten Blick sichtbar oder hörbar ist. Bei dem Elektroduo Psapp ist man allerdings als erstes mit den Soundmerkwürdigkeiten beschäftigt, die man vielleicht so noch nie auf einer Platte gefunden hat. Dafür findet man die meisten Geräusche im Alltagsleben, auf Bahnhöfen, in Küchen, beim Zahnarzt oder auf der Bühne eines Tom Waits Konzertes. Tatsächlich hat man gleich beim ersten Stück „Hi“ das Gefühl, hier wären zumindest Teile der Band aktiv. Tatsächlich aber ist es, anders als beim Großmeister, nur eine Mischung aus realen Instrumenten und Bings, Bangs und Zapps aus dem Alltag, die auf Violinen, Piano, Glockenspiel, Holzschlaginstrumente  oder Orgeln treffen und auf eine Entdeckungsreise durch die Welt der Geräusche und Klänge wandern. Am Ende ist es eine Symphonie - gespielt vom Orchester des Alltags. Das mag obskur klingen, das tut es natürlich auch, aber das faszinierende sind die Songs und die melancholische Stimme von Galia Durants. Galia stammt aus einer Familie, die ihr ein breites Spektrum an musikalischen Raffinessen und Vielseitigkeit mit auf den Weg gaben. Als Tochter einer Mutter, die sich für Protestsongs begeisterte, einem Vater, der indische Klassik hört und einem Bruder, der auf den Acid -Jazzzug aufsprang, muss ihr Kinderzimmer dazwischen gelegen haben. Beim gemeinsamen musizieren unter dem Tannbaum wird wohl auch die Katze eine Rolle gespielt haben. Schon auf ihrem ersten Album spielten Katzen eine wichtige Rolle und so hieß es im letzten Jahr auch „Tiger, my friend „ und erschien auf dem Herbert Grönemeyer Label „Grönland“. Auch dieses erste Lebenszeichen von Psapp ist gemeinsam mit dem deutschen Produzenten Carim Classmann entstanden, der in seinen Fishtank-Studios im Londoner Stadtteil King's Cross lebt und arbeitet. Nun sollte man um die Genialität des zweiten Teils dieser ungewöhnlichen Trip Hop Popband wissen, welch Genialität und welchen exzellenten Ruf dieser Mann genießt. Er hat für eine ganze Reihe an Fernsehmelodien in Japan und Amerika seine Finger im Spiel gehabt und auch mit den Toten Hosen (das mag man sich nach dem Hören dieser Platte nur schwer vorstellen können) und den Einstürzenden Neubauten zusammen gearbeitet. Er wird gerufen, wenn es kompliziert und aufwendig wird. Bei Psapp ist beides der Fall. Doch gemeinsam verlieren sie nie die Übersicht. So ist die Ballade „Hill of our home“ zum niederknien, die Single „Tricycle“ ein echter, wenn auch ungewöhnlicher Hit und „New Rubbers“ ein genialer Popsong. 
Das mag plötzlich nach Mainstream klingen, davon ist es aber weit entfernt.
Viel mehr werden Psapp von dem Wissen um die große Songschreiberkunst getrieben, die sicher auch aus der Protestsongära kommen. Zugleich sind sie aber in einer Welt aufgewachsen, die millionenfach zu Technobeats durch die Straßen zogen. Nur die Blumen sind geblieben. Um Neues zu schaffen, braucht es also das Experiment  und das steht auch im Mittelpunkt bei Psapp. Natürlich bleiben sich auch mit ihrer zweiten Platte ein Nischenprodukt, allerdings in einer Nische, die sie sich selbst geschaffen haben und in der man sich auskennen sollte, wenn man sich hineintraut. Neunzig Prozent der elektronischen Knöpfchendreher, DJs und Produzenten tun das leider nicht und scheitern vor allem an dem Versuch etwas zeitloses zu schaffen. Natürlich sind Psapp auch zu modern, um nicht der Musikmode zu unterliegen, aber sie sind auch außergewöhnlich genug, um so schnell nicht in Vergessenheit zu geraten.
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