Lloyd Cole
Antidepressant
 
Lloyd Cole
„Antidepressant“
Sanctuary

Vor kurzem trat Llyod Cole das erste Mal in seiner zwanzigjährigen Karriere in Südafrika auf. Während dieser Reise ist er von einem Löwen angefallen worden und der hat ihm ausgerechnet in den Arm gebissen. In jenen Arm, der diese wundervolle Gitarre spielt. Es ist möglicherweise die Wirkung des „Antidpressant“ dass ihn zum lakonischen Kommentar hinriss: „Ich brauche die Hand ja eh nur, damit ich ein Plektrum halten kann“. Lloyd Cole hat mit „Antidpressant“ ein Album gemacht, mit dem man nach dem sehr folkigen und ruhigen „Music in a foreign language“ vielleicht nicht gerechnet hat. „Antidpressant“ erinnert mehr an das schizophrene „Don‘t get weired on me“, denn auch im Albumtitel ist schon wieder eine dieser Doppeldeutigkeiten, die Lloyd Cole so einzigartig machen. Zum einen ist ein „Antidpressant“ ein Mittel gegen Depressionen und soll vielleicht mehr Freude zum Ausdruck bringen als das letzte Album, zum anderen aber nimmt man dieses Mittel, wenn man unter Depressionen leidet. Soweit sollte man bei Lloyd Cole nicht gehen, doch seine Ernsthaftigkeit, seine Doppeldeutigkeit und seine Melancholie sind das Markenzeichen eines der besten Songschreiber der Insel, die dort nicht mehr leben. Lloyd Cole hat nach langen Jahren in New York seinen Platz in East Hampton Massachusetts gefunden, bleibt aber trotz Barbecue Parties ein ewiger Engländer. Da hilft auch das wunderschöne „NYC Sunshine“ auf seinem neuen Album nicht. Ein Popsong, so brillant, dass er in den Charts leider keine Chance hat, ein Song so wunderschön und klar, dass er einen dazu verleitet sofort ein Ticket zu lösen und in die Stadt, die nicht nur Lloyd Cole niemals loslassen wird, reisen möchte. Eigentlich sollte dieses Stück große Musik schon auf „Music in a foreign language“ erscheinen (es wäre der beste Song der Platte gewesen), doch es war zu kurz nach den Anschlägen des 11. September und „NYC Sunshine“ ist eine positive Liebeserklärung an die Stadt. Die Stadt, in der sich auch eine Bar befinden muss, die auf „Antidpressant“ der Mittelpunkt wird. „Woman in a bar“ gehört vielleicht (und hier sollten wir einmal kurz das vor über 20 Jahren erschienene Debütalbum „Rattlesnakes“ vergessen) zum besten Song, den er jemals geschrieben hat. Tief inspiriert von „Lost in Translation“ mit dem Satz „No longer angry, no longer young, no longer driven to distraction, not even by Scarlett Johansson“. Tatsächlich hat Bill Murray in seiner Rolle sehr viel mit Lloyd Cole gemeinsam. Auch Lloyd Cole könnte inzwischen mit einer Scarlett Johansson befreundet sein, ohne Hintergedanken. Ein Zustand, in dem man erstmal ankommen muss und den man dann umso mehr geniessen kann. Lloyd Cole nutzt dieses Ankommen als die Inspiration für diese Platte. Ein Zustand, der ihn beobachten lässt und einen Künstler wie ihn, Beobachtung und Inspiration zu Kunst werden lässt. Lloyd Coles Songs auf „Antidpressant“ beschäftigen sich mit der Sicht eines in die Jahre gekommenen Songschreibers, der wie ein guter Wein immer ein bisschen reifer und besser wird. Das kann auch mal im Vergleich zu den letzten Alben ein bisschen rockiger ausfallen. So ist der Titelsong „Antidpressant“ eine richtig rockige Nummer, die wir ihm vielleicht gar nicht mehr zugetraut hätten, schon weil er die letzten Alben alle ohne seine Begleitband den „Commotions“ aufgenommen hat. Das meiste im übrigen auch im Alleingang, ganz ohne Band. Lloyd Cole möchte ungern seinen Musikern vorschreiben wie sie zu spielen haben, sagt er selbst und denkt sicherlich auch dabei an seine schweren Jahre, in denen es mit der Karriere nicht so lief, wie er es verdient hätte. Dieses Tal ist durchschritten. Der Druck ein zweites „Rattlesnakes“ Album aufzunehmen ist längst verflogen und dank der Gelassenheit, kann er seinen Weg weitergehen ohne sich sagen zu lassen, was er zu tun hat. Mit einer treuen Fangemeinde, die erwachsene und künstlerisch wertvolle Musik geniessen will, lässt es sich Leben, wenn man Lloyd Cole heisst und noch so viel zu sagen hat.

Kopierschutz: Nein
I - Pod Fähig: Ja 
Nicht als LP erhältlich
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